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ARCHITEKTURMIX

Die wechselvolle, lange Geschichte von Tbilisi spiegelt sich heute noch stark im Stadtbild wieder. Nach einem Militärputsch gegen Präsident Swiad Gamsachurdia kam es zwischen Dezember 1991 und Januar 1992 zum sogenannten Tifliser Krieg, bei dem die Innenstadt durch Panzer, Artillerie und Raketen stark beschädigt wurde. Es gab zudem mehrere starke Erdbeben, eingestürzte und verlassene Häuser sind daher bis heute immer noch im Stadtbild zu sehen.

Die Altstadt Kala mit dem mittelalterlichen Stadtkern hat enge Gassen und kleine Häuser. Die vor- und frühindustriellen Vorstädte sind geprägt durch kombinierte Wohn- und Wirtschaftsgebäude mit großen Höfen, die einst auch landwirtschaftlich genutzt wurden. Die Stadterweiterungen des späteren 19. Jahrhunderts wurden dann bereits großstädtisch angelegt und am Stadtrand kann man alle Facetten des sozialistischen Städte- und Plattenbaues der 1930er bis 1980er sehen.

Alte und neue Häuser stehen in Tbilisi oft dicht nebeneinander und sind Teil einer manchmal durchaus kuriosen Nachbarschaft ohne Gemeinsamkeiten. Alles ist möglich, was für die einen unmöglich und für die anderen eher spannend ist.

Ich finde es spannend: da liegen arabisch-maurische Fassaden aus der Jahrhundertwende nur wenige Kilometer entfernt von einer futuristischen silbernen Doppeltröte am Flussufer im Rike Park, die leider gerade nicht weiter ausgebaut wird. Eine Replik des Berliner Reichstagsgebäudes steht dahinter und über den Fluss führt eine futuristische Glasbrücke, die am Abend gegen die Casinowerbung nebenan um die Wette leuchtet.

Eine monumentale Naturstein-Kathedrale ist gerade mal ein paar Jahre alt und dominiert dennoch in Gigantismus die uralten Kirchen im Stadtbild. Es gibt Bauten, die durch Neubauten ersetzt wurden, um dann nur eine Generation später wieder teilweise durch schlechtere Repliken der alten Version ersetzt zu werden. Ein bisschen Ost, ein bisschen West, etwas Brutalismus, etwas Jugendstil und eine Prise hochmoderne Architektur.

Es gibt eine asiatische Altstadt mit filigranen Balkonen und Erkern aus Holz und daneben Zuckerbäckerstil-Monumentalbauten aus der Zeit des Stalinismus. In den 1960er-Jahren folgte die Eröffnung der U-Bahn mit prunkvollen Stationen nach Moskauer Vorbild, es war die vierte Metro in der damaligen UdSSR.

In Georgien traf der Jugendstil, als Verbindung von Kunst und Leben, den Geschmack der Massen. Als Anfang des 20. Jahrhunderts der europäische Stil über das Schwarze Meer und Sankt Petersburg nach Georgien kam, wurde er von Architekten und Künstlern aus allen Gesellschaftsschichten begeistert aufgenommen und vielfältig umgesetzt. Mit dem Einmarsch der Roten Armee 1921 wurde diese Entwicklung aprupt beendet.



Neubau im großen Stil

Eine Ära des Neubaus im großen Stil begann nach der Jahrtausendwende. Präsident Micheil Saakaschwili lud während seiner Regierungszeit von 2004 bis 2013 in- und ausländische Architekten ein und plante mit ihnem in großen Dimensionen. Inzwischen hielt auch der Futurismus Einzug in Tbilisi, Batumi und Kutaisi. Neue Gebäude entstanden mit viel Glas und Raffinesse, manche verfallen schon wenige Jahre danach und sind heute schon wieder renovierungsbedürftig.

Von der Kabine der Seilbahn aus kann man die Bauwut der Ära Saakaschwili gut von oben bewundern. Da ist die neue Public Service Hall mit den Dächern, die Pilzen gleichen und die leider schon wenige Wochen nach der Fertigstellung Lecks aufwiesen. Eine öffentliche Verwaltung die gut funktioniert und die hinter Glas arbeitet. So wie die vielen Polizisten in ihren neuen Polizeistationen, die im ganzen Land gebaut wurden.

Die Italiener Massimiliano und Doriana Fuksas durften das Doppelperiskop von Musiktheater und Ausstellungshalle im Rike Park bauen, ihr Landsmann Michele de Lucci die glasgekrönte Friedensbrücke über den Fluss Mtkvari. Und die ehemalige Polizeikaserne direkt dahinter wurde als überkuppelte Nachbildung des Berliner Reichstags zum Präsidentenpalast umgebaut

Neben internationalen Architekten wie J. Mayer H, Doreana und Massimiliano Fuksas und Michele de Lucchi machen sich auch georgische Architektenbüros nicht nur in der Kaukasus-Region einen Namen. Giorgi Khalmaladze Architects mit einem modernen Fast Food Restaurant in Batumi oder Architects of Inventionmit mit der Staatsanwaltschaft in Tbilisi.




Bank of Georgia

Ein Gebäude in Tibilisi wollten wir uns unbedingt ansehen, es liegt verkehsgünstig an der Ausfallstraße in Richtung Mzcheta über dem Ufer des Mtkwari-Flusses. Lange als "sowjetische Hässlichkeiten" verachtet, erwachte in den letzten Jahren verstärkt das Interesse von Architekten und Kunsthistorikern an solchen skurrilen Objekten des Brutalismus - und auch neuere Projekte orientierten sich daran.

Hier steht ist ein Coverstar seines Zeitalters, abgebildet auf vielen Architekturzeitschriften und Brutalismus pur: das ehemalige Verwaltungsgebäude des Ministeriums für Straßenbau. Im Jahr 1975 wurde es fertiggestellt.

Dessen Architekt George Chakhava war praktischerweise gleichzeitig Minister, der sich somit selbst mit allen Freiheiten beim Bau beauftragen konnte. Die Baukosten betrugen damals sechs Millionen Rubel.

Das Gebäude besteht aus fünf horizontalen, zweigeschossigen Gebäuderiegeln. Sie wirken, wie ein paar übereinander gestapelte Eisenbahnwaggons.

Nach dem Zerfall der Sowjetunion zog das Ministerium um die Jahrtausendwende aus. 2006 wurde das Gebäude von der Bank of Georgia gekauft, dann stand es bis 2010 ungenutzt leer. 2007 wurde das Bauwerk als Nationales Monument unter Denkmalschutz gestellt. Seit 2011 ist es renoviert und teilweise begrünt und beherbergt den Verwaltungssitz der Bank of Georgia, hier arbeiten 16 Abteilungen mit 600 Angestellten.

Ein Freund, der in Mzcheta wohnt, fuhr uns dort hin um gemeinsam ein paar Fotos zu machen. Den Weg dort hoch hätten wir alleine nur sehr schwer gefunden. Das Grundstück fällt sehr steil von Westen nach Osten ab, die Bilder ganz unten entstanden von oben. Von Unten hat man auf der viel befahrenen vierspurigen Straße kaum eine Möglichkeit für Fotos anzuhalten.

Dies ist nicht das einzige Beispiel für Brutalismus in Georgien. In verschiedenen Foren für an Architekur der Moderne interessierte gibt es etliche Beispiele zu sehen - aus Georgien und aus der ganzen Welt. Einige dieser Gebäude scheinen kaum mehr als Betonschachteln zu sein, andere sind von einer ganz eigenen Ästhetik und präsentieren einen kunstvollen Ausdruk von Statik und Entwurf als prägende visuelle und konstruktive Elemente.




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